„Aktion Inklusion“ in den Niederrhein Nachrichten: Steffen Linßen (Podcast Inklusionsgedanken)
Auszug aus den Niederrhein Nachrichten (Mittwoch den 17. November):
Das sind wir:
Mein Name ist Steffen Linßen. Ich bin 23 Jahre alt und komme ursprünglich aus Straelen am linken Niederrhein. Seit einigen Jahren wohne ich schon etwas weiter weg von meiner Heimat – ich wohne nämlich in Dachau und studiere Politikwissenschaften (im Master) in München. Ich muss ehrlich sein, denn bis ich 16 war, hatte ich das Thema Inklusion überhaupt nicht auf meinem Schirm. Ich hatte weder in der Schule noch in meiner Freizeit oder sonst wo Kontakt zu Menschen mit Behinderungen. Erst als ich an einer chronischen Muskelschwäche erkrankte, die mich relativ schnell auf einen Rollstuhl angewiesen machte, wurde das Thema für mich präsent. Heute kann ich meinen Alltag mit Unterarmgehstützen bewältigen. Aufgrund dieses „Lebenslaufs“ habe ich aber zwei Sichtweisen auf das Thema Inklusion: Zum einen die Sicht eines Menschen ohne Einschränkungen, der mit dem Thema Inklusion nichts zu tun hat, und zum anderen die Sicht eines Betroffenen.
Wir setzen uns im Netzwerk Inklusion ein, weil:
Kurzgesagt setze ich mich für Inklusion ein, weil ich als Mensch mit meiner Behinderung die gleichen Chancen haben möchte wie alle anderen. Für mich steht Inklusion für Gleichheit. Aber die Probleme & Barrieren, die ich in meinem Alltag erlebe, sind auch nur aus meiner subjektiven Sicht als Mensch mit einer körperlichen Behinderung. Inklusion ist jedoch so umfangreich und vielschichtig. Und deshalb setze ich mich dafür ein. Ich möchte schlichtweg, dass alle Menschen gleich behandelt werden. Jeder soll die gleichen Chancen haben und nicht wegen seiner Behinderung an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt und in seinen Möglichkeiten (ob im Beruf, in der Freizeit, in der Bildung oder einfach: im Alltag durch Barrieren) eingeschränkt werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass durch eine nachhaltige Inklusion alle Menschen in unserer Gesellschaft profitieren werden – Menschen mit Behinderung, aber vor allem auch Menschen ohne Behinderung. Ich stelle mir eine inklusive Gesellschaft viel offener, toleranter, freundlicher und vor allem fortschrittlicher vor.
Das tun wir für Inklusion/ das planen wir für Inklusion:
Ich muss auch hier ehrlich sein: Ich habe mich mit Beginn meines Studiums 2016 mit der Behinderung arrangiert. Ich hatte meine Probleme, gerade was die Arbeit, den Arbeitsplatz und insbesondere die Mobilität in der Großstadt anging. Aber ich habe mich mit den Barrieren angepasst. Ich habe schnell gelernt, dass wenn ich zu diesem Freund will, muss ich eine Station eher aussteigen und den Rest zu Fuß mit dem Rollstuhl gehen. Oder wenn ich an meinem Arbeitsplatz wollte oder davon weg, dass ich immer eine Begleitperson habe die mir hilft den Rollstuhl die Treppen hochzutragen. Doch 2018 wurde bei mir dann ein Schalter umgelegt. Ich habe die Möglichkeit bekommen bei einer TEDx Konferenz in München einen Vortrag zu halten und habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt (Die Vorbereitung auf den Vortrag ging 7 Monate, gemeinsam mit 3 Coaches). Da habe ich mich viel mit dem Thema, aber auch vor allem mit mir auseinandergesetzt. Ich habe angefangen mit Menschen über die Probleme in meinem Alltag zu reden und gemerkt, dass wenige sich das überhaupt nur vorstellen konnten. Und das hat viel mit mir gemacht, weil wie soll sich etwas ändern, wenn die Mehrheit in der Gesellschaft die Barrieren gar nicht auf dem Schirm hat. Seitdem bin ich immer proaktiv vorgegangen – aber alles im kleinen Rahmen und in meiner persönlichen Blase. Umso dankbarer war ich 2020 als Adele Hoff & Sigrid Thomas von der Caritas auf mich zukamen und mich gefragt haben ob ich Lust hätte einen Inklusionspodcast zu machen. Da ich sowas auch noch nie gemacht habe, aber schon seit Jahren ein leidenschaftlicher Podcast-Hörer bin, war ich Feuer und Flamme für das Projekt. Der Podcast nennt sich „Inklusionsgedanken“ und der Name ist Programm: Wir haben die verschiedensten Gäste mit denen ich über das Thema Inklusion rede – aber alles ganz offen in einer lockeren Atmosphäre. Ich möchte von den Gästen die persönliche Erfahrung mit dem Thema Inklusion erfahren – ich möchte deren Gedanken zum Thema Inklusion haben. Ganz persönlich und subjektiv. Und ich finde das ein wirklich tolles Projekt, weil man einfach merkt, wie facettenreich und vielschichtig das Thema ist. Ich gehe wirklich nach jeder Aufzeichnung raus und denk mir „Wow, das hatte ich wirklich nie auf den Schirm und konnte ich mir auch nie vorstellen“. Das macht einfach unfassbar Spaß. Aber das schönste ist das Feedback: Wenn ich zum Beispiel von Freunden höre, dass sie sich den Podcast angehört haben und hierüber schockiert waren, das nicht wussten und jenes gelernt haben. Da merke ich jedesmal, wie wertvoll der Podcast ist. Ich finde, dass der Podcast einfach eine Art Zeitkapsel ist, die festhält welche Probleme es in der Inklusion gibt, aber auch was schon gut läuft. Ich wünsche mir sehr, dass wir in 10 Jahren in diese „Zeitkaspsel“ reingucken (hören) und uns denken: Toll, dass haben wir geschafft, jenes läuft jetzt besser und wir sind immer näher am Ziel. Und noch eine tolle Erfahrung aus dem Podcast: ich habe viele tolle Menschen treffen dürfen. Mit meinem ersten Gast (der aus dem Netzwerk war), dem Andre, habe ich mich auch noch öfter nach dem Podcast getroffen und wir haben uns viele Gedanken gemacht über das Thema Inklusion & Digitalisierung und haben sogar dann gemeinsam in unserer Freizeit die kleine App „Klocka“ entwickelt, die als Ergänzung zu den Klingeln, die in dem großartigen Projekt „Viersen für Alle“ erfunden wurden, gedacht war. Das war auch eine tolle Erfahrung!
Das wünsche ich mir für Inklusion:
Ich habe eigentlich zwei Wünsche. Der eine Wunsch ist langfristig und der andere Wunsch ist kurzfristig. Kurzfristig wünsche ich mir, dass das Thema Inklusion nicht „vergessen“ wird bei den großen Themen die unsere Welt aktuell bewegen. Menschen mit einer Behinderung sind besonders hart betroffen von der Pandemie. Deswegen wünsche ich mir, dass das Thema Inklusion nicht übersprungen wird in den kommenden Monaten und nochmal umso mehr Beachtung findet. Langfristig wünsche ich mir, dass wir alle offener, toleranter und vor allem menschlicher sind. Das mag banal klingen, keine Frage, aber diese drei Dinge sind der Schlüssel zu einer inklusiveren Gesellschaft. Klar könnte ich sagen: „Ja ja die Politik muss mal machen“ – ja muss sie, keine Frage, aber wenn wir als Gesellschaft nicht dazu bereit sind, werden alle dieser Vorhaben scheitern. Institutionen, die sich ändern müssen werden die Gesetze dann nicht als „Belastung“ oder „Mehr Aufwand“ sehen, sondern als Chance – weil sie offen, tolerant und menschlich.
Pressespiegel: Aktion Inklusion-Steffen Linssen